Problem der Aufbewahrung des Reliefs außerhalb der Festtage

So schwer die acht Eichenbohlen auch sind, übrigens unsichtbar im Inneren mit drei eisernen Gewindestangen fest miteinander verschraubt, damit ein Verwinden der Balken verhindert wird, am Ende einer jeden Weihnachtszeit „verbannte“ ich fortan – meistens zusammen mit unserem Sohn Simon, aber auch mit Dietrich Bürger, dem stets im Gemeindeleben mithelfenden Ehemann der Kirchenvorsteherin Renate Bürger – das Werk in die gotische, stadtseitige Maueraussparung des Altarraums und mit dem Kunstwerk zur Wand, denn es gehört in seiner Thematik ja ausschließlich in die Weihnachtszeit und sollte in ihr erfreuen und sich nicht ganzjährig „sattgesehen“ werden. Eine - wie ursprünglich gedacht - Weihnachtskrippe wäre ja auch abgebaut worden. Übrigens war Dietrich Bürger auch der, der im Januar 2014 zusammen mit Andreas Tollhopf und mir diese Chronologie in Wort und Bild auf den Weg zu bringen empfohlen hatte.

1999 wurde die erste mit dem Kunstwerk gefeierte Weihnachtszeit in der Nikolaikirche bis zum 17. Januar verlängert. Das Interesse und die Freude in der Gemeinde waren spürbar groß. Im Morgengottesdienst des Sonntags in der Epiphaniaszeit bot ich zusammen mit Holzbildhauer Andreas Tollhopf einen Gesprächsgottesdienst zu den Motiven des neuen Weihnachtsreliefs an. Wir beantworteten alle Fragen der Gemeinde, denn nicht alle Besucher der Weihnachtsgottesdienste hatten den freilich in großer Breite geführten Prozess von der figürlichen Krippe zum Relief miterlebt und wurden nun so auf den aktuellen Stand gebracht.

Von Weihnachten zu Ostern, vom Einzel-Relief zum Altar

Schon am 11. Mai 1999 diskutierte ich im Kirchenvorstand zum ersten Mal nicht nur meine Idee, sondern auch die anderer KV-Mitglieder, wegen der Stärke der Eichenbohlen des schon populären Weihnachtsreliefs auf der Rückseite auch ein Osterrelief anzufertigen. Gedanklich war ich sogar noch einen Schritt weitergegangen. Ich präsentierte ein kleines selbstgefertigtes Modell eines „Flügelaltars“.

Ich stellte mir noch fast traumhaft vor, das fertige Weihnachtsrelief und das heute gerade erst angedachte Osterrelief eines Tages irgendwie drehbar zu erhöhen, dann hinter dem Tischaltar zu platzieren und die beiden großen Reliefs links und rechts mit zwei mal zwei, also vier, je kleinen und nur halb so großen Seitenflügeln zu versehen, die vorder- und rückseitig bearbeitet, klappbar wären. So könnte ein Flügelaltar sowohl gedreht, als auch zugeklappt oder entfaltet aufgeklappt werden und wäre mal klein- und mal großflächiger mit einem Kunstwerk in Relieftechnik das ganze Kirchenjahr über mit einem entsprechenden Bild verwendbar, und die Gemeinde sähe – zu jeder Kirchenjahreszeit passend – mindestens ein Bildrelief. Ob das verwirklichbar und zudem finanzierbar wäre, blieb mir 1999 allerdings schleierhaft. Begeistert zeigte sich immerhin Bildhauer Andreas Tollhopf. Das war doch die Hauptsache! Und wir beide wurden ein immer besseres, eng zusammenarbeitendes und vordenkendes Team zu diesem – noch – Traumprojekt.

Nach dieser Maisitzung entstand nun aber doch erst einmal eine Denkpause. Auch die Frage der Finanzierbarkeit eines neuen 2 qm großen Reliefs – wenn auch ohne neue Eichenholzanschaffung – wollte bewältigt sein, geschweige denn ein „Zukunftsprojekt Flügelaltar“. Das Weihnachtsrelief ist 100% spendenfinanziert gewesen, und so müsste es auch bleiben. Die Annahme des Weihnachtsreliefs und seine Verwirklichung durch Spendenbereitschaft der Gemeinde Mut und Hoffnung, wenigstens zunächst das Osterrelief auch zu schaffen. Sollte es tatsächlich zu einem Flügelaltar in Zukunft noch kommen, bestand auch hier Zuversicht auf Spendenbereitschaft, wenn man sich daran erinnert, wie freilich mit großer und verbreiteter auch Firmenspendenbereitschaft, die Felsberger Gemeinde innerhalb nur eines Jahres den Guss von drei neuen Bronzeglocken geschafft hatte, so dass in Felsberg einzigartig weit und breit in liturgischer Abwechslung klanglich vielfältig zu den Gottesdiensten und zum Tagesgebet eingeladen wird.

Gedanken zur theologisch thematischen Weiterentwicklung über ein Osterrelief hinaus

In seinen Februar- und Märzsitzungen nach dem Jahrtausend-Jahreswechsel konnte der Kirchenvorstand tatsächlich einmal die Finanzierungssicherheit für das Osterrelief auf der Rückseite des Weihnachtsreliefs feststellen und zum anderen intensiv die Motive für das neue Kunstwerk diskutieren. Es musste zur Verkündigung der Auferstehung zwischen der Jerusalem- und der Galliläatradition eine Entscheidung fallen. Das bedeutete eine regelrecht theologische Auseinandersetzung, die freilich dem Kirchenvorstand sehr viel Freude bereitete. Manche sahen die Osterbotschaft so in einem ganz neuen Licht, andere erinnerten sich an das erwachsenen bildnerische Jahr des Bibelkurses „Wort und Antwort“ und sahen in den anstehenden Diskussionen eine Art Fortsetzung des damaligen Kurses. Natürlich beteiligte sich intensiv auch Andreas Tollhopf und zeichnete diverse Vorschläge, die beide biblischen Ostertraditionen veranschaulichten. Andreas Tollhopf machte das so großartig und einfühlsam in den theologischen Gedanken, dass eine Entscheidung, welche Tradition als Bild gewählt werden sollte, richtig schwer fiel. Einer seiner Vorschläge – ich wage zu behaupten: Künstlerische Weltneuheit! – wählte die Jerusalemtradition und zwar in der Weise, dass der Betrachter des Reliefs aus dem leeren Grab heraus in eine neue Zukunft schaut. Alle bildlichen Darstellungen des leeren Grabes, zu allen Zeiten entstanden, blicken immer ins Grab hinein und niemals heraus.

Im Wissen von heute schaue ich an dieser Stelle chronologisch weit voraus, es ist ja – auch wenn er immer noch nicht vollendet sein kann – zum Flügelaltar gekommen, und zwar nun zusätzlich zur Darstellung der Jerusalemtradition in der beschrieben Weise, aber chronologisch richtig ist eben an dieser Stelle schon wichtig auszudrücken, dass die Idee der außergewöhnlichen Blickrichtung von Andreas Tollhopf bereits im Frühjahr des Jahres 2000 von ihm gezeichnet worden war. Positiv an der so schweren Entscheidung, ob sich der Kirchenvorstand nun hinsichtlich des großen Osterreliefs für die Jerusalemtradition (leeres Grab) oder die Galiläatradition (Auferstehungserfahrung am See Genezareth) entscheiden sollte, war, dass schon jetzt immer deutlicher wurde, das zweite Großrelief müsste nicht das letzte Kunstwerk gewesen sein. Ein Gesamtwerk „Flügelaltar“ könnte tatsächlich einmal verwirklicht werden. Dann könnten sogar beide Ostertraditionen aufgenommen und dem Betrachter in der bedeutendsten Kirchenjahreszeit, nämlich der Osterzeit, eröffnet werden. Das alles musste sich setzen, und dass darüber etwa ein halbes Jahr verging, war genau besehen überhaupt keine lange Zeit.

Foto: Jost